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Die klimatische Behandlung, schon von Aretaeus, Galen, Celsus 1) geübt, dann für sehr lange gänzlich vergessen, hat seit ihrer Wiederaufnahme gegen Ende des vorigen Jahrhunderts immer mehr und mehr an Bedeutung und Ausdehnung gewonnen. Bekanntlich schrieb Gregory 2), der erste Empfehler der wiederentdeckten Lehre, und nach ihm in England und endlich auch in Deutschland Viele nur dem Ortswechsel die vielfach beobachtete günstige Wirkung auf den Zustand mancher Patienten zu. Noch 1837 sprach sich Lilienhain 3) in folgender Weise aus: „Die Veränderung der Luft ist ein mächtiges Agens bei Krankenheilungen und sollte noch häufiger benutzt werden als es bisher geschieht. Zufall und eigene Erfahrung haben mich über die wohlthätige Einwirkung einer veränderten Luft, eines veränderten Wohnortes bei chronischen Krankheiten ohne gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln belehrt. Dass bei einem scrophulösen Kinde, welches in der Stadt lebt, der Aufenthalt auf dem Lande sehr wohlthätig und vortheilhaft umstimmend einwirkt, ist bekannt; weniger aber, dass es ebenso heilsam ist, lässt man ein scro

1) F. Küchenmeister, geschichtl. Darstell. der Lehre von dem Nutzen des Höhenklima u. s. w. Allg. Wien, med. Ztg. 1869 mit Nachträgen ebendas. 1870.

2) J. Gregorius, de morbis coeli mutatione medendis in H. Tabor's Auszüge etc. Heidelb. u. Leipz. Pfhäler. 1. B. 1792.

3) Vorrede zu Grimm's Uebers. des Hippocr. B. I. p. 187.

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phulöses Kind, das auf dem Lande gelebt, nach der Stadt ziehen." Bald jedoch, zuerst wieder in England, überzeugte man sich, dass es mit dem einfachen Ortswechsel allein doch nicht gethan sei. Empirisch fand man, dass nicht jeder Ort mit reiner Luft sich zum Krankenaufenthalt eigne und man bezeichnete desshalb eine Anzahl von Stationen als besonders

zu berücksichtigende.

Dass man bei der Sichtung solcher Plätze oft zu weit ging im Lobe oder im Tadel, war ebenso natürlich als es jetzt bekannt ist. Mancher Irrthum aber hat sich bis auf den heutigen Tag durchgeschlichen. Ausgedehnte physikalischgeographische Untersuchungen, namentlich die berühmten Schriften von A. Mühry und das classische Werk von A. Hirsch haben die Klimatologie in wissenschaftliche Bahnen gelenkt und eine wichtige, feste Grundlage für den weiteren Ausbau geliefert. Heute weiss man denn, dass und zum Theil auch welcher Einfluss den verschiedenen das Klima zusammensetzenden Factoren zukommt. Freilich harret noch so mancher Punkt von der weittragendsten Bedeutung der Entscheidung, so dass selbst die Autoritäten in der Medicin weder in den Indicationen für einzelne Orte, ja nicht einmal für einzelne Klimaarten sich einigen konnten.

Mit Rücksicht auf die vielfachen Erfolge richtig geleiteter klimatischer Kuren hält man nach wie vor an dem offenbaren Werthe derselben fest. Buhl 1) sagt denn auch: „Für beginnende oder schon im Zuge begriffene Chronicität ist, so möchte ich beinahe sagen, gute Luft das Hauptmittel" u. s. w. Und Lebert 2) spricht sich so aus: „Die Aerzte sollten eigentlich froh sein, dass, nachdem die Kranken im Laufe des. Jahres vielfach haben Arznei nehmen müssen, sie nun auch

1) Lungenentzündung etc. p. 163. München 1872.
2) Ueber Milch- und Molkenkuren p. 69. Berlin 1869.

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ohne jede Arznei durch blos hygieinische Kuren behandelt werden können. Indess auch heutzutage noch sind klimatische Kuren bei Manchen in Miscredit oder man betrachtet sie doch als etwas sehr Untergeordnetes. Der Grund davon liegt darin, dass man sich enttäuscht sah, als man nicht erreichte, was man zu erreichen gehofft. Und dazu trugen Kranke wie Aerzte reichlich bei.

Von Seiten der ersteren vergass man vorab, dass wenn irgendwo, gewiss hier, das Wort des Hippocrates 1) beobachtet sein wolle: „Nicht nur der Arzt, sondern auch der Kranke und dessen Umgebung müssen ihre Pflicht thun, und die Aussendinge müssen zweckmässig sein."

Abgesehen von dem so oft und doch so vergeblich beklagten Umstande, dass immer nur Wenige es verstehen und sich ernstlich bemühen, durch ihr ganzes Verhalten in körperlicher wie geistiger Beziehung eine klimatische Kur zu einer wirklich nutzbringenden zu machen, so kommt es sehr oft vor, dass Patienten ganz nach eigener Wahl, bestimmt oft durch die geringfügisten Dinge oder überredet von Anderen 2), ihren Aufenthalt sich selbst aussuchen, bald in feuchtem, bald in trocknem Klima leben, bald am Meere verweilen, bald auf alpine Höhe übersiedeln. Nicht immer erwächst daraus ein erheblicher Schaden, Einige aber richten sich auf diese Weise zu Grunde. In den meisten Fällen kehren solche Leute im höchsten Grade. unbefriedigt von ihrer klimatischen Kur zurück.

Einen anderen Fehler begehen Manche dadurch, dass sie

1) Aphorism. I, 1.

2) Um recht viele Patienten anzuziehen, liest man in Blättern die Anzeige, dass dem Hôtel ein Arzt „attachirt" sei. Recht komisch muss man das finden, wenn ein solcher Herr College in deutschen Zeitungen als ,,deutscher Arzt," in der französischen l'Italie aber als ,,médécin suisse" sich aufführen lässt.

sich vom Arzte einen Kurort zum Aufenthalt bezeichnen lassen, während sie diesen Rath erst Wochen, ja Monate später, wann sich der Zustand vielleicht wesentlich geändert hat, ausführen.

Unter dieselbe Categorie gehört die Unsitte, nach einem längeren z. B. Winteraufenthalt im Süden sich lieber bei dem Arzte in der Heimath eine klimatische Station für das Frühjahr anrathen zu lassen, als einen anwesenden Arzt um die Wahl eines Ortes nach dem gegenwärtigen Untersuchungsbefund anzugehen.

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Auch die Aerzte sind nicht ganz von Vorwürfen freizusprechen. Einestheils dehnte man die Indicationen aus übergrosser Vorliebe oder aus materiellen Gründen sie spielen ja immer eine sehr grosse Rolle zuweit aus, anderentheils nahm man die Sache recht leicht und folgte, anstatt die gewonnenen Ergebnisse specieller Forschung zu Rathe zu ziehen, der gerade herrschenden Mode, man schickte die betreffenden Kranken ohne Unterschied an einen südlichen Kurort oder auf die Höhe. Dass auf solche Weise es häufig vorkam, dass man einen entschiedenen Nachtheil sah, wo man auf einen Vortheil gehofft hatte, wen kann das Wunder nehmen. Daher liest man dann über klimatische Kurorte Urtheile, wie das von Professor Rühle 1): Ueber letztere liesse sich Manches sagen, was darauf hinauslaufen würde, dass ihr Besuch hauptsächlich Geldopfer erheischt, und die Leistung dieser den Angehörigen die Beruhigung gewährt, >Alles angewendet zu haben«“.

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Horace Dobell 2) bemerkt sehr treffend: „Sicherlich ist kein Mittel der Behandlung auf so launische, absonderliche und seltsame Art angewendet worden, durch kein anderes sind so

1) Ueber den jetzigen Stand der Tuberculosenfrage. 1871. Nr. 30. p. 236.

Klin. Vortr.

2) Das eig. erste Stadium der Schwindsucht von H. Dobell M.

D. in London, übers. von O. Bandlin. 2. Aufl. 1873. p. 43.

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